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Eine kleine Projektauswertung

Wer uns ein wenig bei Facebook oder Instagram folgt, der wir in den letzten Wochen (ausgenommen die Weihnachtspause) immer wieder mal einen Post aus Sandersleben gesehen haben. Zwar liegt Sandersleben nicht mehr in unserem Kerneinzugsgebiet, doch die Zusammenarbeit mit den Lehrern und PM vor Ort hat schon länger Tradition. Die Grundschule „Geschwister Scholl“ hat sich zu Beginn des Schuljahres mit uns in Verbindung gesetzt. Die Kinder dort haben keinen regelmäßigen Sportunterricht, da die Schule einfach keinen Sportlehrer hat. Wie so etwas geht, fragen wir uns an dieser Stelle auch. Zumindest fragte die Schulleitung an, ob es für uns möglich ist ein etwas längeres Projekt zu starten. Kurze Tagesauftritte von uns zu Projekttagen hatten wir schon öfter, doch über 10 ganze Vormittage in der Schule hatten wir noch nie nachgedacht. Also bestehende Möglichkeiten (Ausstattung Turnhalle/ Mobiles Praxismaterial) ermitteln, Ideen zusammengetragen, alles in ein Mini-Projektangebot verpackt und eingereicht. Da schau her – nach kurzer Zeit kam das o.K. für die Kostenübernahme. Aus Sondermitteln zum Ausgleich der Coronazeit wurde eine Finanzierung zusammengebaut und schon begann unser Projekt zu leben. „Erlebnissport – Sporthallenspaß für die Kinder der 1. bis 4. Klassen“ konnte in die Umsetzung gehen.

Holger Weiß, einer der Praxisinhaber, übernahm die Umsetzung vor Ort mit den Kids. Zu Beginn war die Aufregung auf beiden Seiten, Kinder und Kursleiter, ziemlich groß. Inhaltlich ging es in der ersten Einheit darum herauszufinden, welche Fähigkeiten die Kinder haben und den Kindern sowohl Spaß als auch notwendige Regeln des Miteinander zu vermitteln. Schnell zeigte sich, dass die Kids hoch motiviert für Bewegung und Spaß in der Sporthalle waren. Zudem zeigte sich ein erheblicher Unterschied in den individuellen Fähigkeiten der Kinder. Von motorisch begabt und bewegungsaffig bis zum sehr unerfahrenem Kind war ein breites Spektrum an Fähigkeiten zu beobachten. Erschreckend waren die häufig schlechten Ballfertigkeiten und die fehlende Ausdauer der Kinder.

Zum ersten Kennenlernen gab es einen kleinen Parcour mit lösbaren einfachen Aufgaben

Nach der ersten Einheit stellte sich heraus, dass die Arbeit in einem adaptierbaren Parcours sehr gut mit den Kindern umsetzbar war. Sehr toll zeigte sich der Umgang der Kinder miteinander. Drängeln und Schubsen gab es nicht, ein paar Aussetzer, weil jemand sich vordrängelt schon. Hier konnte aber sofort mit einem klärenden Wort der Sachverhalt geklärt werden. Im weiteren wurden also thematische Parcours mit verschiedenen gemeinsamen Gruppenaufgaben geplant, wobei das Anforderungsprofil regelmäßig gesteigert wurde.

Gemeinsame Aufgaben erfüllen (hier einen Turm bauen, so hoch es geht)war für die Kinder eine sehr spannende Herausforderung auf der Bewegungsbaustelle

Schon nach den ersten drei Einheiten zeigte sich bei vielen der Kinder eine deutliche Steigerung der Fähigkeiten. Höhen, vor denen viele anfangs Angst hatten waren kein Problem mehr, Balancieren auf schmaler Bankseite bedurfte keiner oder viel weniger Hilfe, Geschwindigkeit steigerte sich und die Anstrengungsbereitschaft wurde überragend. Spaß und spürbare Ergebnisse förderten die Vorfreude auf die nächste und nächste Einheit.

Zwischendurch mal Abwarten war genauso wichtig, wie sich in der Höhe sicher zu bewegen

Während der gesamte Übungszeit wurde es in der Turnhalle nie langweilig. Zum einen wechselten die Bewegungsaufgaben vom Turmbauen über Edelsteine sammeln und Schlangengruben überwinden bis zur Klammerjagd, zum anderen wurden in jeder Einheit bekannte Bewegung- und Hinderniselemente mit neue Aufgaben kombiniert.

Klassiker wie Rollbretter und schiefe Ebenen durften nicht fehlen
Sprinten unmittelbar nach Lagewechsel vom Rollbrett

Auffällig war der stark zunehmende Mut zu Neuem und die Bereitschaft der Kinder freiwillig in der Gemeinschaft mit anderen Dinge zu probieren. Die Turnhalle als Erlebnisraum zu verstehen in dem es nicht um Leistung, sondern lediglich um Spaß am Bewegen geht. Diese Form der Leistungsbereitschaft ohne Hintergrund von Zwang oder Druck ließ das Herz des Psychomotorikers dreimal höher schlagen.

Mit ein wenig Hilfe trauten sich auch die Kinder mit der größten Angst, Schritte die sie allein kaum gegangen wären.
Wenn Wichtel durch das Lager mit Weihnachtskugeln müssen.
In der letzten Einheit die Kombination vieler gelernter Elemente.

Fazit aus persönlicher Sicht

Die Tatsache, dass eine Grundschule ohne Sportlehrer und somit ohne regelmäßigen richtigen Sportunterricht gibt erstaunt sehr. Über die Notwendigkeit eines Sportunterrichts muss niemand, der sich auch nur im Ansatz mit Lernen beschäftigt, von uns belehrt werden. Wir belassen es bei der dem Hinweis: „Bewegung macht die Hirnzellen, Schule füllt sie“. Die Fähigkeiten der Kinder im konkreten Projekt sind im Schnitt eher besorgniserregend einzustufen. Einfache Aufgaben wie Balancieren, Springen oder hier und da Ballfangen/-werfen sind nicht auf dem erwartetem Grundschulniveau. Spezialisierung oder Ausprägung von Fähigkeiten sind bei den Kindern zu beobachten, die stolz berichten, auch in der Freizeit Sport mit Eltern oder im Verein zu treiben. Unsere Hochachtung müssen wir den Lehrern und PM vor Ort entgegenbringen, die versuchen auf irgendeine Art und Weise die Lücke des Sportunterrichts zu schließen. Wir waren auch nur ein Teil dieser Versuche. Für die 10 Tage, die wir in der Turnhalle arbeiten durften, sind wir (insbesondere Holger Weiß) sehr sehr dankbar. Zum einen konnte klar beobachtet werden, dass mit jeder Einheit bei den Kindern etwas passiert ist. Die Kinder konnten sich in der Turnhalle selbst erleben und entwickeln. Aus Skepsis wurde Neugier, aus Neugier wurde Mut und aus Mut wurde Erfolg. Das ist etwas, was das eigene Selbst ein wenig formt und die Bereitschaft fördert sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Gerne nahmen wir die Sätze der Lehrer zur Kenntnis, dass die Kids nach den Einheiten geschafft aber wach waren. Sehr freute uns, dass die Unfall- und Ausfallquote sich im Rahmen hielt (eingerissene Splitter an Holzbänken, die älter waren als der Kursleiter, waren häufigste Verletzung gefolgt von blauen Flecken). Diese Stunden zeigten uns aber auch sehr deutlich, wie wichtig therapeutische und motopädagogische Arbeit für die Grundschulen sind. Es gibt massive Unterschiede in den Fähigkeiten der Kinder. Nicht wenige, sondern nach unserer Einschätzung etwa ein Drittel der Kinder, brauchen angepasste zusätzliche motorische Förderung und Sportunterricht brauchen alle.

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